Fotos: W. Eugene Smith |
Martin-Gropius-Bau, Niederkirchnerstr. 7, 10963 Berlin, 10-20 Uhr (Dienstags geschlossen), nur noch bis 27.11.2011!:
Retrospektive W. Eugene Smith
Hat man einen stattlichen Obolus von 8 € entrichtet, wird dem Besucher des Gropius-Baus ein wahren Augenschmaus geboten.
Prächtige Abzüge (Silbergelantine) in eleganten Rahmen in diesen picobello Räumen. Die Fotos haben angenehme Formate, endlich keine allgegenwärtige Mega-Prints.
Eine klar gegliederte Retrospektive:
"Spanisches Dorf" - Frühe wunderbare Bilder. Die Gesichter sind umwerfend! Sujet sind immer wieder "einfache" Menschen. Eine Ikone der Kunst: "Die Totenwache"!
"Hebammen" in South Carolina und ein "Landarzt" in Colorado werden bei ihrer Arbeit begleitet. Aussagekräftige und mitfühlende Fotos des Mediziners! Einige wenige Male irritierte mich auf den Aufnahmen zusätzliches (künstliches) Licht.
Faszinierende Porträts von Albert Schweitzer sieht man zum Thema "Ein Mann der Barmherzigkeit". Interessant, dass der Künstler den Auftrag schon beenden wollte, da A. Schweitzer rigide (und eitle) Einschränkungen durchzusetzen gedachte. Nach Androhung der Abreise aus Lambaréné lenkte Schweitzer doch noch ein. Und dann entstanden solche Werke.
1971-73 reiste Smith nach Japan. Mit der Reportage "Minamata" wurde auf eine schreckliche Umweltkatastrophe verwiesen. Ein Chemiewerk verseuchte Meerwasser, und die darin vergifteten Speisefische führten zu fürchterlichen Erkrankungen der Anwohner. Eine Pieta der Fotografie wühlt die Seele des Betrachter für ewig auf! Das Mädchen Tomoko in den Armen seiner Mutter darf nicht veröffentlicht, aber in der Ausstellung gezeigt werden... Für diese Möglichkeit lohnt der Gang in diese Präsentation schon.
In der Abteilung "Pittsburgh" gilt es viele originale Kompositionsskizzen für das Layout anzuschauen.
"Verschiedenes" kündigt die letzte Überschrift an. Ikonen der Fotografie schließen einen Rundgang ab. Sensationell: "Der Weg ins Paradies" und zwei Varianten von "Wahnsinn"!
Schön ist, dass immer die Kontaktbögen zu den Serien zu bestaunen sind. Beeindruckend sind die ausgelegten Journale, die zeigen, wie die Essays letztendlich gedruckt wurden.
W. Eugene Smith (1918-1978) gilt als Großmeister des Fotoessays.
Die Kuratorin E. Vigano überschreibt die Fotoausstelllung mit dem Zitat: "Besessenheit ist der Beweis für den Widerspruch zwischen dem Ich und der Welt." Smith war besessen, besessen von Perfektion. Er wollte die Realität dokumentieren, und die Emotionen, die die Wirklichkeit ausstrahlt, in Bilder fassen. Dabei trieb ihn das Ansinnen, Gesamtkunstwerke zu schaffen. Die Entwürfe für seine journalistischen Bilderstrecken sollten gekennzeichnet sein durch eine geniale Einheit von Schrift, Bild und Layout. Keine Zeitungsredaktion genügte seinen Ansprüchen. Obwohl das Magazin Life, für das er 1946 bis 1954 arbeitete, ein einzigartiges Konzept praktizierte: Die Beiträge bestanden hauptsächlich aus Fotos (mit ausführlichen Bildunterschriften). Da die Veröffentlichungen in den Zeitschriften nie seinen Entwürfen entsprachen, schloss er sich später der legendären Agentur Magnum an. Diese berufliche Perspektive sollte ihm ermöglichen, freie Arbeiten anzufertigen.
Er wollte einen Bilderbogen der Stadt Pittsburgh erarbeiten. Das Projekt endete in einem Desaster. Smith hatte sein Honorar zügig für Drogen ausgegeben und finanzierte seinen Auftrag nun mit dem eigenen Geld - zum Leidwesen der Familie. Alkohol und Tabletten waren seit einer Kriegsverletzung 1945 ständiger Begleiter des Fotografen. Rauschgift half ihm, seine tiefe Trauer zu ertragen, die entstand, da er wegen seines hohen Anspruchs nie mit den gedruckten Veröffentlichungen zufrieden war.
Interessant erschien mir, dass die Auswahl mit dem Motto "Realer als die Realität" zusammengestellt ist. Dann erfährt der aufmerksame Beobachter aber, dass Mister Smith auch mal bei seinen Motiven manipulierte...
Der Katalog zur Berliner Präsentation wird für 29 € feilgeboten.
Ich weiß nicht, ob die Ausstellung verlängert wird - also sputen, wenn man diese Schau noch sehen will.
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