Mittwoch, 3. Oktober 2012

"Unterwegs"



Das Buch
1978 erstand ich im wahrsten Sinne des Wortes für 2,50 M das Reclam-Bändchen "Unterwegs" von Jack Kerouac - das vergötterte Kultbuch meiner Generation, die sich aus einer spezifischen "DDR-Sicht"  der Beat Generation in den USA verbunden fühlte. Folgende Sätze des anscheinend seelenverwandten, aber großartigen und lebenshungrigen Außenseiters markierte ich seinerzeit:   
"Ich bin mein ganzes Leben lang Leuten hinterhergeschlurft, die mich interessieren. Denn die einzig wirklichen Menschen sind für mich die verrückten, die verrückt danach sind zu leben, verrückt danach zu sprechen, verrückt danach, erlöst zu werden, und nach allem gleichzeitig gieren - jene, die niemals gähnen oder etwas Alltägliches sagen, sondern brennen, brennen, brennen, wie fantastisch gelbe Wunderkerzen, die gegen den Sternenhimmel explodieren wie Feuerräder, in deren Mitte man einen blauen Lichtkern zerspringen sieht, so dass jeder „Aahh!“ ruft."   
"Wir ließen Verwirrung und Unsinn hinter uns und erfüllten die einzig edle Funktion unserer Zeit, in Bewegung zu sein. Und wie waren wir in Bewegung!"  
"Und für einen Augenblick hatte ich den Punkt der Ekstase erreicht, den ich immer hatte erreichen wollen und der der totale Schritt über die chronologische Zeit hinweg hinein ins zeitlose Schattenreich ist, das Erstaunen über die Öde des Reiches der Sterblichen, das Gefühl der Nähe des Todes, der mir auf den Fersen ist, der mich vorwärts stößt, und dem selbst ein Phantom auf dem Fuße folgt, während ich zu einer Plattform eile, von der alle Engel abstießen und in das heilige Nichts der unerschaffenen Leere flogen. Hell leuchte das Wesen der Dinge auf,  in gewaltigen und unfassbaren Strahlungen, unzählige Lotusländer öffnen sich fallend im zauberhaften Mottenschwarm des Himmels. Ich konnte ein unbeschreibliches wallendes Brausen hören, das nicht in meinem Ohr war, sondern überall, und das mit Geräuschen nicht zu tun hatte. Ich erkannte, dass ich unzählige Male gestorben und wiedergeboren worden war und mich nur deshalb nicht im einzelnen daran erinnerte, weil die Übergänge vom Leben zum Tode und wieder zum Leben so geisterhaft leicht sind, ein magischer Vorgang ohne Bedeutung, wie millionenfach Einschlafen und Wiederaufwachen, alles so zufällig und ohne dass man es merkt. Ich erkannte, dass diese  kleinen krausen Wellenbewegungen von Geburt und Tod nur geschahen, weil das innere Wesen der Dinge sich immer gleich blieb, wie der Wind auf einer Fläche reinen, ruhigen, spiegelgleichen Wassers wirkt. Ich fühlte süße, beschwingte Wonne wie eine große Dosis Heroin in der Hauptvene; wie einen großen Schluck Wein am Nachmittag, der uns beben macht; meine Füße prickelten. Ich dachte, im nächsten Augenblick schon würde ich sterben. Aber ich starb nicht, ich wanderte.“
"Das Leben ist zu traurig, um den ganzen Tag Feste zu feiern."  
"Aber sie müssen sich Sorgen machen und an der Zeit zu Verrätern werden mit falschen Dringlichkeiten und sonstwie, einfach in Angst und unter Jammern; ihre Seelen werden erst wirklich Frieden haben, wenn sie sich an eine anerkannte und gültige Sorge hängen können, und wenn sie die einmal gefunden haben,  setzen sie eine Miene auf,  die dem entspricht und dazu passt;  und das ist, siehst du, Unglücklichsein, und die ganze Zeit über fliegt das alles an ihnen vorbei, und sie wissen es, und das bekümmert sie auch unendlich. 
"Du stirbst nicht genug, um zu weinen." 

Der Film
Jetzt wurde ich im Kino (die Originalfassung wollte noch ein weiterer Zuschauer im Kino Hackesche Höfe sehen) schwer enttäuscht. 
Natürlich ist die Verfilmung gefeierter Romanerfolge ein schwieriges Unterfangen. Aber mir wurden hier nur wunderschöne junge Menschen präsentiert, die Auto fuhren, verschiedensten Drogen genossen, komisch zur Musik (Jazz und Bebop) der vierziger/fünfziger Jahre tanzten, unablässig rauchten und sich immer umarmten, da sie sich andauernd trafen oder verließen... 
Eine Geschichte einer Männerfreundschaft erzählt sich mir nicht, die gezeigten Künstlerschicksale erschließen sich mir nicht.

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