alle Fotos: Boris Mikhailov
Auf, in die Berlinische Galerie! Es gibt eine aufwendig beworbene und hoch gelobte Ausstellung eines der markantesten Fotografen der Gegenwart zu bestaunen:
Hier wird nichts geschönt! Die Themen entsprechen der Wirklichkeit - die Prints und Fotos sind nicht retuschiert. Mein absoluter Höhepunkt ist die Serie "Salt Lake" von 1986/1997. In der direkten Umgebung eines Industriegroßbetriebes tummeln sich ameisengleich unzählige Menschen am Strand. So dicke Matkas, viele Leute schlafen und helle Hüte, Mützen, Tücher zieren die Köpfe der Müßiggänger - dieses Bild erinnert mich an die Kindheitstage am Ufer des uckermärkischen Waldsees, an dem sowjetische Offiziere Räucherfische aßen, Wodka tranken und Volleyball spielten, die Ehefrauen saßen grässlich geschminkt in BH und Schlüpfern mit Papierhüten in der prallen Sonne. In Raum 2 dominieren Riesenformate der weltberühmten Porträts von Obdachlosen ("Case History" - Hasselblad-Preis 2000). Die immer wieder heruntergelassenen Hosen sind mir insgesamt etwas zu obszön bzw. zu dick aufgetragen. Und mich stört, dass B. Mikhailov diese armseligen Menschen mit Geld zum Posieren für die Aufnahmen überredete. Natürlich zieht die Farbserie "Red" in den Bann. Bei den ausgestellten Originalfotos sieht man, dass die Motive aber schwer ins namengebende rot gedrückt erscheinen. Der politische Zweck heiligt die gestalterischen Mittel. Boris Mikhailov: "Ein guter Fotograf muss sein wie ein Straßenköter." Einige Aufnahmen der Serie "At Dusk" gefielen mir sehr gut. Obwohl die blaugetonten Panoramafotos (mit der "Horizon" aufgenommen) doch arg verwaschen aussehen und wohl mit einer Nagelschere beschnitten wurden. Der Künstler fotografierte hier heimlich aus der Hüfte verschiedenste Alltagsszenen. Oft liegen Betrunkene oder Schlafende im Hintergrund. Bei diesem Thema beeindruckten mich die größeren Bilder. Bemerkenswert ist in Raum 3 die Folge "If i were a German..." Ein politisch ganz brisantes Sujet (Deutsche Besatzung der Ukraine im 2. Weltkrieg - Was hätte ich in der Rolle der Besatzer getan?), das klischeeüberladen fotografisch behandelt wird. Dass ich die anderen Zusammenstellungen nicht so toll fand, mag daran liegen, dass mich Überblendungen, Kolorierungen nicht so anmachen. Einige Sachen erscheinen mir zu banal, zu aufgeladen oder verhuscht gemacht. Vielleicht wird manches einfach überbewertet. Man kann zum Abschluss des Besuches dieser interessanten Präsentation einen Film ansehen. Hier werden u.a. die wunderbaren Motive mit auf der Straße tanzenden Paaren gezeigt. Und es gibt einen Blick in die Dunkelkammer des Ukrainers: mit einem altertümlichen Vergrößerungsgerät über der Badewanne...
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