Sonntag, 8. Juli 2012

Henri Cartier-Bresson "Sein 20. Jahrhundert"






alle Fotos: Henri Cartier-Bresson

Henri Cartier-Bresson "Sein 20. Jahrhundert"
http://www.schirmer-mosel.de/homed1/pdf/PM_HCB-20Jh.pdf

Im Jahr 2010 erschien dieser Katalog zur MoMA-Ausstellung in New York (dt. Ausgabe bei Schirmer/Mosel). 
Ein Mängelexemplar (vergilbte Ränder!) erstand ich bei LangerBlomqvist (Berlin Mitte) für 35 € (anstatt 58 € für eine makellose Ausgabe). 
Selbstverständlich verleihe ich den Band an Freunde und Bekannte. 376 Seiten, 462 Abbildungen! 

Henri Cartier-Bresson (1908-2004) ist der unbestrittene Großmeister der modernen Fotografie, von mir gottähnlich verehrt! 
Ein wunderbarer Bildband mit einem Text des MoMA-Kurators für Fotografie Peter Galassi. Man erfährt so viel aus dem rastlosen, abenteuerlichen Leben des intellektuellen Industriellenzöglings. 
Die allumfassende Dokumentation präsentiert über 300 Bilder mit uferlosen und akribischen Anhängen (ein Fehler auf einer Europakarte mit den Reisewegen Cartier-Bressons: hier liegt Rothenburg ob der Tauber an der Oder). Neben den hinlänglich bekannten Ikonen der Fotokunst werden überraschende Neuentdeckungen seiner produktiven Phase von Anfang der 30er bis Anfang der 70er Jahre des 20. Jahrhunderts vorgestellt. Insgesamt gibt es über eine Million Negative! Galassi durchforstete das Archiv der Agentur Magnum und nutzte seine vorzüglichen Beziehungen zu verschiedensten Granden der Kunstszene, natürlich besonders zur Fondation Henri Cartier-Bresson (mit Tochter und Ehefrau des Jahrhundertkünstlers). 
Eindringlich wird die Arbeit als Bildreporter für unzählige Zeitungen und Zeitschriften beschrieben, mit der HCB einfach viele Jahre sein Geld verdiente. Es wird auch angemerkt, dass ihm die Verwertung seiner Motive nicht mehr sonderlich wichtig erschien. Ebenso wenig fesselte ihn der Druck seiner Bildbände. Das verwundert gerade beim brillanten Fotobuch "Images à la sauvette" (Umschlaggestaltung: Henri Matisse) aus dem Jahr 1952, das in der Gestaltung und im Druck unerreicht ist. Den Meister interessierten vordringlich seine Leica-Fotos, die Dunkelkammerarbeit überließ er Pierre Gassmann, einem befreundeten Fotografen, und die Verantwortung für den  Druck der Veröffentlichungen übertrug er den Bildredakteuren. Viele reproduzierte Zeitschriftenseiten erwecken die Aufmerksamkeit des Lesers.   
Sehr interessant ist die Gegenüberstellung der umfangreichen Zusammenfassung der Aufnahmen aus China (ermutigend zu sehen, dass der Meister auch mal "nicht geniale" Schnappschüsse machte) mit den Motiven aus den USA (hier bemerkt man deutlich seine, vorsichtig ausgedrückt, Reserviertheit diesem Land gegenüber - vielleicht aus seiner Vergangenheit als kommunistisch beeinflusster junger Mann zu erklären?).    

2004 konnte man im Martin-Gropius-Bau Berlin eine gewaltige Retrospektive Cartier-Bressons sehen, aber im beschriebenen Bildband gibt es noch viel mehr zu entdecken.

In Buch fand ich ein nachdenkenswertes Zitat von Élisée Reclus: "Am meisten lernt man außerhalb der Schule, auf der Straße, in der Werkstatt, an den Jahrmarktbuden, im Theater, in Zugwaggons und auf Dampfern, in neuen Landschaften und fremden Städten."

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