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Foto: Jabs |
Harald Hauswald - Ferner Osten - 1986-1990 - Lehmstedt Verlag - Bildauswahl: Mathias Bertram
http://www.lehmstedt.de/hauswald_osten.htm
Den Bildband ziert ein schönes Vorwort von Christoph Dieckmann ("Unser Vorleben"). Der verehrte Journalist (der sich der Rechtschreibreform rigoros verweigert) charakterisiert Harald Hauswald als Wirklichkeitsreporter einer ungeschminkten DDR-Lebenswelt. Der Fotograf mit der blonden Mähne in US-Parka und Nietenhosen gilt als allgegenwärtiger Chronist des Niedergangs eines sozialistischen deutschen Staates. Die propagandistischen staatlich kontrollierten Medien erhoben dies Nischenkultur ungewollt zur moralischen Gegenwelt. Das sensible, wache Publikum wusste "zwischen allen Zeilen zu lesen" und maß die Künstler mit der Wahrheitselle. Wie viel Gegnerschaft hat diese törichte Diktatur produziert, wie viel Rückgrat aber auch gebeugt und wie viel Lebensenergie vergeudet? Mit sarkastischer Sensibilität beobachtete Hauswald Rockkonzerte, Veranstaltungen der Kirche, den künstlerischen Untergrund des viel beschworenen Prenzlauer Berges, das Treiben auf dem Alexanderplatz und einfach den Alltag im Osten. Mir ist unerklärlich, wie es gelang, sowohl BFC-Hooligans als auch Union-Fans zu porträtieren. Wie kann man in extrem verfeindeten Lagern unterwegs sein und so nah an diese Leute herankommen? Es war auch schwierig in der Punk-Szene zu fotografieren. Harald Hauswald reservierte seinen Spott für die Narretei und den Pomp der Macht (beste Beispiele: Fotos der FDJ-Ordnungskräfte!). Er bildete Szenen aus dem "Warteraum der Zukunft ab".
In den Achtziger Jahren war er in der DDR fast verboten. Lediglich "Die Kirche" druckte seine "Berliner Ansichten". Wenige Arbeiten wurden im "Sonntag" veröffentlicht. Zeitweilig beschatteten 35 IMs sein Tun - Operative Personenkontrolle "Radfahrer" (so heißt übrigens auch ein sehenswerter Dokumentarfilm von Marc Thümmler über die Bespitzelung).
Nach der politischen Wende gründete der gebürtige Radebeuler mit sechs großen Kollegen die Agentur "Ostkreuz". Ch. Dieckmann bezeichnet sie als "Menschenseher." "Die ostdeutschen Fotorealisten ermächtigen sich selbst, ohne Aussicht auf den Ruhm, der ihnen nach 1989 zugefallen ist."
Die große Überraschung in "Ferner Osten" ist, dass man Farbfotos begutachten kann.
Nun ist das fotografische DDR-Antlitz sehr wohl ein Bild von Grautönen. das rührt auch daher, dass es hier kein gutes Farbfilmmaterial zu kaufen gab. Ausgestattet mit Farbfilmen waren lediglich die Pressefotografen in irgendwelcher staatlicher Anstellung. Harald Hauswald arbeitete Ende der Achtziger Jahre schon für westliche Printmedien. GEO versorgte ihn mit Kodak-Filmen (für seine Canon A1). Auch das Zeitmagazin, der Stern und Merian veröffentlichten seine Reportagen. Das Archiv (4000 Aufnahmen) befindet sich bei seiner Agentur Ostkreuz. Dort durchforstete es Mathias Bertram und brachte auch vom Fotografen fast vergessene Motive ans Tageslicht.
Am besten gefallen mir die Serien "Im Oderbruch" und vom legendären "Pferdemarkt Havelberg". Die Motive aus Berlin wirken auf mich etwas klischeehaft, aber das ist völlig normal: So war das Leben auf den Straßen in dieser Zeit! Stark sind die Porträts der einfachen Menschen, der alten Leute...
Der Druck erscheint mir nicht so brillant, oft sind die Farben nicht so schön. Und das Einbandfoto ist pixlig.
Harald Hauswalds Schwarzweißaufnahmen erfreuen mich viel mehr!